Next Bang! - Wie das riskante Spiel mit Megatechnologien unsere Existenz bedroht..
Von Pat Mooney
Pat Mooney, Träger des Alternativen Nobelpreises und Direktor der Nichtregierungsorganisation „ETC Group“ in Kanada. Pat Mooney gilt international als einer der führenden Experten für Nanotechnologie/ Geoengineering/ Gentechnik und ihre Folgen.
Eine unheilvolle Allianz aus Wissenschaft, Großkonzernen und Regierungen bereitet großflächige Eingriffe in das System Erde vor – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und ohne dringend gebotene Risikofolgenabschätzung.
BANG – Bits, Atome, Neuronen und Gene sind die Bestandteile dieser riskanten neuen Megatechnologien. Geo-Engineering, Nanotechnologie, Gentechnik, synthetische Biologie und >konvergierende Technologien< heißen die Zauberbesen, mit denen die Probleme der Menschheit angeblich ausgekehrt werden sollen. Das dazugehörende Marketing verspricht uns Rettung vor der Klimakrise, die Abschaffung des Hungers auf der Welt und ungeahnte Erfolge in der Bekämpfung von Krankheiten. Pat Money entlarvt die Absurdität solcher Behauptungen und führt uns plastisch die unkalkulierbaren Risiken vor Augen, die mit derartigen technologischen >>Heilsversprechungen>> verbunden sind.
Zugleich ist sein Buch ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Engagement und einen stärkeren Einfluss der Zivilgesellschaft bei den dringendsten Fragen unserer Zeit. Seine Aussage ist deutlich: Es liegt nicht nur in unserem ureigenen Interesse, sondern ist auch unser Recht, zu bestimmten technologischen Entwicklungen >NEIN< oder >LANGSAMER< zu sagen.
In verschiedenen fiktiven Geschichten führt uns Pat Mooney dabei auf alternativen Kursen bis ins Jahr 2035 – und fordert uns auf, uns zu entscheiden, in welcher Welt wir in 30 Jahren leben wollen..
Ein Europäer hat heute nach Untersuchungen des WWF ungefähr 40 nachweisbare giftige Chemikalien im Blut. Ein Nordamerikaner ißt inzwischen große Mengen genveränderter Nahrungsmittel. Und unsere Atomkraftwerke produzieren täglich strahlende Gifte, von denen noch in Zehntausenden von Jahren tödliche Gefahren ausgehen werden…
Wie kann es in demokratischen Gesellschaften zu solchen Fehlentwicklungen kommen? >>> Warum haben wir gefährliche Technologien nicht einfach mehrheitlich abgelehnt?
In >Next BANG!< beschreibt Pat Mooney neue Risikotechnologien, die heute von Wissenschaftlern, Politikern und mächtigen Finanziers aktiv für den kommerziellen Einsatz vorbereitet werden: Geo-Engineering, Nanotechnologie oder die künstliche >Verbesserung < des menschlichen Körpers. Dieses Buch ist aber nicht nur Sachbuch: Anhand von fiktiven handelnden Personen blickt Mooney 25 Jahre in die Zukunft oder besser in verschiedene Zukünfte. In einer fiktiven Trendlinie folgen wir seinen Akteuren zunächst in eine Zukunft, die sich entlang schon heute absehbarer Trends zu einem Albtraum gescheiterter megatechnologischer Hybris entwickelt hat. Und in den drei darauf folgenden alternativen Szenarien treffen seine Akteure Entscheidungen, die die heutigen Trends ändern und zu hoffnungsvolleren Entwicklungen führen.
>Szenarioplanung< ist heute in der Wirtschaft ein viel benutztes Instrument, um künftige Geschäftschancen und Risiken abzuschätzen. Leider blickt die Zivilgesellschaft – und genauso die Politik – viel zu selten 10, 20 oder 30 Jahre in die Zukunft, um ihre Strategien zu planen. In der Auseinandersetzung mit Mooneys Szenarien können wir uns fragen, in welcher Art von Gesellschaft wir in 30 Jahren leben möchten – und wie wir dort hin kommen. Die Right Livelihood Award Foundation schickt das Buch an alle ihre Preisträger, um mit ihnen genau diese Diskussion zu führen.
Die Brisanz des Buches liegt darin, dass es zeigt, wie die Technologien, die unsere Zukunft bestimmen könnten, heute zum großflächigen Einsatz vorbereitet werden – und das weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit.
Atomkraft, toxische Chemikalien oder genmanipulierte Organismen konnten deshalb nicht durch demokratische Entscheidungen verhindert werden, weil hinter ihnen bereits eine zu große ökonomische und politische Macht stand, als ihre Risiken vielen Menschen erst bewusst wurden. Deshalb dürfen wir die Diskussionen über Geo-Engineering, Nanotechnologie, synthetische Biologie und die anderen neuen Risikotechnologien nicht länger den selbsternannten Experten überlassen. Die Entscheidung über ihren künftigen Einsatz fallen jetzt – es ist eine Frage der Demokratie, dass wir alle dabei mitreden.
Vorwort aus dem Buch Next BANG!
von Ole von Uexküll
Ole von Uexküll - Direktor der Right Livelihood Award Foundation, Stockholm,
die den sogenannten Alternativen Nobelpreis im Schwedischen Reichstag vergibt.
Demokratie wagen die Mächtigen nur, wenn sie genügend Einfluss auf die Entscheidungsmechanismen – Parteien, Medien, Wahlkampfmittel – und damit auf die wählbaren Alternativen haben. Demokratien gedeihen, wenn das Wählen belanglos wird. Die Wahl zwischen Kandidat X und Kandidat Y genügt völlig für diese Illusion.
Wir lassen zu, dass sie weltweit Demokratierechte abbauen.
Wer sagt, dass die Welt von morgen mit den modernsten Technologien noch friedliche Absichten hat..?
Russisch Roulette mit der Erde: Nanotechnologie, Geoengineering und andere Risikotechnologien
Video - Veröffentlicht am 06.01.2014
Am Rande des Weltsozialforums in Dakar, Senegal, sprach Kontext TV mit Pat Mooney über die Gefahren von Geo Engineering (technischer Manipulation der planetaren Ökologie), Nanotechnologie und synthetischer Biologie, über den 2012 bevorstehenden Erdgipfel in Rio und über seine Erfahrungen mit den Protesten gegen Stuttgart 21.
Kontext.TV
David Geoßmann/ Fabian Schneider
Der Klimawandel schreitet immer voran, die Regierungen haben es bei den UN-Klimagipfeln nicht geschafft sich auf Emissionsreduzierung zu verpflichten, die ausreichenden und katastrophalen Veränderungen des Klimasystems zu verhindern.
Angesichts mangelnder Bereitschaft Produktions- und Lebensweisen besonders in den reichen Industrieländern grundlegend zu ändern, scheint die Stunde derjenigen gekommen zu sein, die durch großtechnische Lösungen den Klimawandel und anderen Problemen beikommen wollen. Von der Düngung von Ozeanen mit Eisenspänen, der Speicherung von CO2 in der Erde bis zur Einbringung gewaltiger Schwefelmengen in die Atmosphäre. Auch synthetische Biologie und Nanotechnologie werden von Unternehmen immer wieder als Wunderlösungen für Nahrungskrisen und andere Menschheitsprobleme angepriesen.
Auf dem Weltsozialforum in Dakar/Senegal sprachen wir am 7. Februar mit Pat Mooney, einem der prominentesten und engagiertesten Kritiker dieser Technologien. Mooney erhielt für seine Arbeit den „Right Livelihood Awards“ der auch als Alternativen Nobelpreis bekannt ist.
Wir befinden uns hier in der Universitätsbibliothek von Darkar/Senegal, wo das diesjährige Treffen des Weltsozialforums stattfand. Unser Gast ist heute Pat Mooney. Pat Mooney ist Mitglied der Initiative Action Group on Erosion, Technology and Concentration, kurz ETC in Kanada. Er hat intensive zu den Gefahren der neuartigen Technologie Geoengineering, die technische Manipulation von Erdsystemen und Nanotechnologie geforscht.
Willkommen zu Kontext.TV Pat Mooney.
Danke für die Einladung.
Seit dem Erdgipfel in Rio 1992 sind viele internationale Konferenzen zum Klimawandel und Umweltprobleme abgehalten worden. Wie bewerten Sie diese Ergebnisse dieses Prozesses?
Wir sollten eigentlich nicht von Rio+20 reden, sondern von Stockholm+40. Die erste wichtige Umweltkonferenz wurde 1972 in Stockholm abgehalten. Rio+20 war dann zwanzig Jahre später, in diesem Zusammenhang ist das Ergebnis klar. Wir haben eine Art Stockholm Syndrom in der zivilen Gesellschaft erlebt. Wir haben uns in diejenigen verliebt, die den Prozess gekidnappt haben, wir haben uns in das UN-System verliebt, wir lieben nun die UN Verhandlungen, wir lieben es ein Anhängsel der Umweltdebatten zu sein, die sich um die UN Verhandlungen drehen. Die Ergebnisse sind ziemlich schlecht, wir in der zivilen Gesellschaft haben wenig erreicht. Die Regierungen haben in den letzten 40 Jahren versagt.
Warum haben sie versagt?
Die Regierungen haben die Probleme nicht ernst genommen. Sie wurden unmittelbar nach der Konferenz in Stockholm von Neoliberalismus, ökonomischer Wachstum und rein technologischen Problemlösungen vereinnahmt.
Heute haben wir eine Welt voller Regierungen die sagen, dass man Sozialpolitik nicht mehr brauche, man müsste sich darüber keine Gedanken mehr machen. Wir müssen nur der Industrie zuhören, wie die technologische Verbesserung aussieht. Die Industrie soll uns aus der Ernährungskrise, der Treibstoffkrise, der Klimakrise und der Finanzkrise heraus bringen. Sie kümmert sich um uns, wir müssen ihr nur die Mittel geben und das Regelwerk, in dem sie die Probleme lösen wird. Diese Haltung ist hoffnungslos, sie hat dazu geführt, dass wir allein im letzten Jahr 2% unserer Pflanzendiversität auf der Erde verloren haben, 5% unserer Vielfalt im weltweiten Tierbestand. 26 Sprachen sind im letzten Jahr verschwunden, eine enorme Menge an kultureller Vielfalt untergegangen. Und sie machen immer weiter und denken, dass sie immer weiter technologische Lösungen für alles parat haben.
Pat Mooney, sie warnen schon seit einiger Zeit vor den Gefahren des technokratischen Geoengineering um den Klimawandel und andere Umweltprobleme zu begegnen. Welche Technologie meinen Sie damit genau und was sind die Gefahren dieser Technologie?
Ich sollte klar machen, dass ich Wissenschaft und Technologie im Prinzip großartig finde, nicht alles, aber es ist auf jeden Fall faszinierend. Ich unterstütze die Wissenschaft voll und ganz, aber was hier vorgeschlagen wird, ist keine Lösung. Anstatt sich mit der Realität vom Ende des Erdöl Zeitalters auseinanderzusetzen, statt zu sehen, dass wir unsere Energiereserven verschwenden und nicht so weiter machen können, wird uns gesagt, dass wir uns keine Sorgen machen sollen, weil es ja Nanotechnologie gibt. Mit dieser Technologie könne man viel leichter Wind- und Sonnenenergie erzeugen, Maschinen würden damit in Zukunft weniger Energie benötigen.
Auch in Sachen Nahrungskrisen, Agrartreibstoff und Plastik beruhigt man uns, man werde damit in zweiter oder dritter Generation der Biotechnologie entwickeln, die sich synthetische Biologie nennt, das wird alle Probleme lösen. Entspannt Euch alles wird schön.
Was ist unter Synthetischer Biologie zu verstehen?
Es ist eine Art Turbotechnologie, mit der konventionellen Biotechnologie transportiert man Gene von einer Tierart auf eine andere. Das ist ziemlich einfach, aber auch echt chaotisch, es funktioniert nicht wirklich gut. Mit der synthetischen Biologie dagegen, baut man sich seine eigene DNA. Man fängt ganz unten an und strukturiert die DNA so, dass man genau das herstellen kann, was man will. Man baut die Basenpaare neu auf. Man kann genau festlegen wie der Organismus funktioniert. In der Theorie glaubt man mit der synthetischen Biologie Mikroorganismen herstellen zu können, die die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Sie könnten die Zellulosefasern von Bäumen verdauen und in Zucker verwandeln, oder sie könnten sie in Plastik, Nahrung, Treibstoff, Möbel oder sonst was umwandeln. Man kontrolliert einfach die Biomasse und mit Hilfe der Mikroorganismen schafft man ein beliebiges Endprodukt.
Was sind die Gefahren dieser Technologie?
Sie ist ungeheuer machtvoll und gefährlich, vielleicht funktioniert das Ganze auch gar nicht oder manchmal nur zu einem Teil. Aber wir glauben, dass damit neue Lebensformen erschaffen werden, die wir bisher noch nicht gesehen haben. Im Vergleich dagegen, sind genetisch veränderte Organismen bloßes Kinderspiel. Man kreiert Dinge, die man an sich nicht vorstellen kann. Im letzten Jahr fanden Forscher heraus, dass man Zellen überlisten kann, so dass sie nicht wie üblich 20 Aminosäuren die Basis jeden Lebens ausbilden, sondern 276. Stellen Sie sich das mal vor. Mit den 276 Aminosäuren statt den 20, hat man mehr Bioversität in einem Reagenzglas als im ganzen Amazonas. Das ist eine unnatürliche Bioversität, die die Welt bisher noch nicht gesehen hat.
Was machen wir mit solchen Lebensformen? Was passiert, wenn sie in die Umwelt geraten? Alles in den Labors gelangt schließlich nach draußen, was passiert dann?
Letztes Jahr wurde deutlich, dass man mit synthetischer Biologie nicht nur neue Lebensformen herstellen kann, sondern zum ersten mal auch sich selbst erneuern mit künstlichen Lebensformen, in dem man die Vermehrungen Mutationen fortsetzt.
Noch einmal, die Macht dieser Technologie wie unausgereift und ineffizient sie am Anfang auch sein mag, ist etwas, was wir bisher noch nicht auf diesen Planeten gesehen haben.
Wer finanziert diese Art von Wissenschaft?
Die gleichen netten Leute, die uns den Klimawandel erst gebracht haben, die uns mit Geo-Engineering die Krise einbrockten, in der wir jetzt sind. Es sind BP... früher „British Petroleum“- heute Backronym, Exxon Mobil... , Royal Dutch Shell... und die großen Plastik-Chemie-Unternehmen DuPont..., Monsanto... und BSAF... Sie nehmen die Führung in dieser Forschung ein. Und es sind unsere Regierungen, große Investitionen kommen von dem US-amerikanischen Energieministerium und Landwirtschaftsministerium, von der britischen Regierung usw..
Was ist unter dem Begriff „Geo-Engineering“ zu verstehen und was sind die Gefahren?
Es ist ein interessanter Begriff. Als wir zum ersten Mal hörten was da vorgeschlagen wird, um die Kreisläufe der Ozeane und die Sonnenreflektion der Stratosphäre neu zu strukturieren, dachten wir „Mein Gott, dass ist also Geo-Engineering. Es war für uns der negativste Begriff den man sich vorstellen konnte, den Planet zu geoengineeren.
Die Wissenschaftler, die daran arbeiten, nennen es selber so, sie denken, das sei eine gute Sache. Wir dagegen denken, es ist eine schreckliche Sache. Die Leute, die an Geoengineering arbeiten sagen: Es ist doch bewiesen, dass Menschen den Planeten verändern können, wir haben z.B. den Klimawandel. Und die Industrie, die „British Petroleum“ BP und die „DuPonts“ dieser Welt, die uns da hinein manövriert haben, sagen jetzt: Seit unbesorgt, wir kümmern uns darum, wir geoengineeren Euch aus der Krise auch wieder heraus.
Und die beiden Instrumente, die das leisten sollen, sind:
1. Die Veränderung der Oberfläche der Ozeane, damit sie Treibhausgase aufnehmen, die alle auf den Boden sinken und so aus dem Weg kommen.
2. Die Dämmung von Sonnenlicht, indem man z.B. Sulfate in die Atmosphäre versprüht, die das Sonnenlicht blocken, so dass die Temperatur senkt - möglicherweise sogar die Methanemission in der Arctic reduziert werden können.
Das würde uns wieder ein wenig Zeit verschaffen und während dessen vielleicht eine weitere Lösung zu finden. Die Gefahren sind ziemlich offensichtlich, wir wissen nicht genug über den Planeten, wir wissen nicht genug darüber wie planetarische Systeme arbeiten. Und angesichts dessen Gott spielen zu wollen mit den Ozeanen, mit dem Himmel, das auf eine Weise die weit davon entfernt ist „sicher“ zu sein und die Armen fair zu behandeln ist einfach unglaublich dumm, es kann nicht funktionieren.
Sie haben auch über Nano-Technologie geforscht, was hat es damit auf sich und was sind die möglichen Gefahren?
Wir stießen tatsächlich durch Geoengineering auf Nanotechnologie. Uns wurde gesagt, dass man z.B. die biologische Oberfläche der Ozeane durch Nanotechnologie verändern kann. Man brauche dafür Nanoteile von Eisen die über die Oberfläche verteilt werden in Gebieten wo Nährstoffmangel herrscht. Mangel an Eisen, das würde das Plankton füttern. Es nimmt das Eisen auf und absorbiert Kohlenstoff von Außen, wenn Plankton abstirbt sinkt es auf dem Ozeanboden.
Wir erfuhren also von dem Problem durch Nanotechnologie. Der zentrale Punkt für uns ist, dass die Wissenschaftler sagten, dass es nur möglich sei alles auf der atomaren Ebene herzustellen. Auf die gleiche Art wie man DNA herstellt kann man jedes andere Material von unten aufbauen. Man kann Goldpartikel oder Silberpartikel nehmen und daraus neues Material herstellen, Atom für Atom. Das hat zwei große Vorteile für Unternehmen die damit arbeiten: Zum einen glaubt man auf diese Weise die klassische Chemie hinter sich zu lassen wenn man unter 100 nm (Nanometer) kommt. Man Kommt in den Bereich des sogenannten Quanteneffekts. Wenn man in diesen Quantenbereich kommt, reagiert das Material plötzlich auf Elektrizität, auf Druck, auf Sonnenlicht usw. Es ändert sich dramatisch ab dem Punkt wo es von 100 nm (Nanometer) auf 70, auf 25, auf 5 reduziert wird. Diese Veränderung der Charakteristik des Materials bedeutet für ein Unternehmen, dass es nicht mehr nur von einem periodischen System aus arbeitet, sondern von vielleicht sieben, acht oder zehn Systemen und daraus alles herstellen kann. Das ist das Ende der Idee von Rohstoffen. Man braucht sich keine Gedanken mehr zu machen wie man Rohstoffe von einer Ecke der Welt in die andere transportiert.
Man fügt einfach verschiedene Skalen im Nanobereich hinzu und man bekommt das Material, das man in diesem Bereich benötigt. Das hört sich vielleicht etwas abstrus an, lassen Sie mich ein Bsp. bringen: Ich habe einen goldenen Ehering und trage ihn, er ist harmlos, alles ist sicher, sieht schön aus. Wenn man bei dem harmlosen Gold nun in den Nanobereich geht, dann wird daraus plötzlich ein Katalysator für chemische Reaktionen. Es verändert seine Farbe von gold zu rot, es beginnt sich zu bewegen, es verhält sich als wenn es explodieren wollte und das alles wegen des Quanteneffektes.
Manche warnen vor den Folgen für die Gesundheit, die nicht Vorhersehbar sind, was sind die Gefahren dabei?
Die Größe ist wichtig. In Australien, in Südafrika wachsen Kinder auf, die jeden Tag Sonnencreme benutzen, sogar ihr ganzes Leben lang. Und diese Sonnencremes sind zunehmend aus Nanopteilchen hergestellt, die werden dann auf die Haut verteilt. Dass es sich aus eine Creme aus Nanoteilchen handelt, erkennt man daran, dass sie durchsichtig ist. Es ist nicht die gewöhnliche weiße Creme, die durch Einreiben verschwindet. Nanocreme ist von Anfang an klar, die Nanoteilchen sind so klein, dass sie nun durch die Haut gehen, durch die Fasern und Zellen des Körpers wenn sie um 25 nm (Nanometer) klein sind. Sie durchdringen Organismen. Wenn sie noch kleiner sind, können sie durch die Bluthirnschranke diffunieren, sie gehen durch die Plazenta, sie gehen überall hin wo der Körper sie hintransportieren will. Das ist für mich sehr bedrohlich.
Wir wissen nicht wie sicher es ist. Die Unternehmen, die das herstellen wissen es selber nicht. Die Hersteller von solchen Nano-Sonnencremes wissen nicht einmal wie groß die Nanoteilchen sind, mit denen sie arbeiten.
Welche Regulierungen und Beschränkungen gibt es bisher in Sachen Nanotechnologie und welche sollte es Ihrer Meinung nach geben?
Es gibt im Moment tausende Produkte auf dem Markt, keines ist bisher meines Wissens bisher ausgewiesen als Nanoprodukt. KEINES. Es sind Pestizide, Nahrung, Genussmittel, Kosmetik, Sonnencreme, Computerteile, Autoteile, Flugzeugteile, Kleidung usw. , sie sind überall, wir leben mit ihnen. Ich kenne nur zwei Regulierungen. Eine besteht in den USA, dort reguliert man den Gebrauch von Nanosilberpartikeln in Waschmaschinen, sie gelten als Pestizide und werden als solche reguliert.
In der EU überlegt man, ob man Nanoteilchen in Kosmetika regulieren soll, das ist alles.
Der Grund dafür ist nicht, dass die Behörden vollkommen dumm oder von den Unternehmen korrupiert worden sind. Es ist einfach so, dass wir unsere Materialien weiter betrachten, als ob sie sich auf der Makroebene befinden.
Wir haben Aluminiumoxid seit Hundert Jahren auf der Makroebene benutzt. Aluminiumoxid wird von Zahnärzten bei der Zahnbehandlung benutzt. Es ist sehr sicher auf der Makroebene. Man kann es ein Leben lang im Körper haben und es macht keine Probleme.
Verkleinert auf die Nanoebene explodiert der Stoff quasi. Die amerikanische Luftwaffe benutzt Aluminiumoxid Nanopartikel für die Zündung von Bomben.
Das gleiche Zeug, was der Zahnarzt benutzt, nur reduziert auf der Nanoebene. Aber die Regulierer schauen da natürlich nicht drauf, sie sagen: Wir haben die Sonnencreme doch schon geprüft, also müsst ihr nicht mehr zu uns kommen, wir haben das schon genehmigt.
Aber noch einmal, auf der Nanoebene ist das etwas ganz anderes. Es geht durch die Blut-Hirnschranke, es geht durch die Haut.
Wer sind die Hauptakteure dabei, um welche Unternehmen geht
es?
Es geht um alle, es gibt keine großen internationalen Firmen, die nicht in Nano-Technologie verwickelt sind. Sie erhalten ja so die Möglichkeit die Rohstoffquellen zu vervielfältigen mit neuen Charakteristika der Materialien auf Nanoebene zu arbeiten. Ich bin besorgt für die Gesundheits- und Umweltrisiko, die sind ernst. Aber was mich wirklich schockiert, ist die Kontrolle und der Besitz dieser Technologie in Händen von Unternehmen.
Bei der Nano-Technologie sehen wir, dass ein einzelnes Patent ausreicht, um es auf 33 verschiedene Elemente im Periodensystem anzuwenden. Die Benutzung dieser 33 Elemente auf der Nanoebene wäre damit eine Verletzung des spezifischen Patents, das bedeutet buchstäblich, dass damit mehr als die Hälfte der Elemente des Periodensystems kontrolliert werden mit einem einzigen Patent.
Es werden schon Patente vergeben in den USA und auch beim Europäischen Patentamt in München. Das Patent besagt z.B., dass es beim Bau von Elektromotoren eingesetzt werden kann, aber es kann auch in der Nahrungs- und Getränkeindustrie angewendet werden oder in der Textilindustrie, der Sprengstoffindustrie, der Computerindustrie, der Raumfahrt, es ist praktisch in der ganzen Industrie anwendbar. Wir haben bisher keine derart weitreichende Technologie gehabt. Ein Patent, was quasi die Industrie dominieren kann.
Sie haben ein Moratorium, also ein vorläufigen Stopp von Nanotechnologie verlangt, worum geht es dabei?
Wir sind in der absurden Situation, dass wir immer wieder Moratorien zu irgendwas verlangen. Dem Moratorium zu Geoengineering, das wir sogar bekamen auch bei dem Terminator-Saatgut konnten wir eins durchsetzen und auch bei der Ozeandüngung waren wir erfolgreich. Und jetzt sagen wir, das gleiche sollte auch bei Nanotechnologie und Synthetischer Biologie passieren. Auch wenn es noch nicht der beste Weg ist, wir gingen zur UN und verlangten, dass die auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips nicht zulassen sollte, dass Nanopartikel in unser Essen, in unsere Getränke, in Pestizide gelangen, bevor wir nicht wissen, dass sie sicher ist. Das macht keinen Sinn. Die UN sollte das einsehen und dem zustimmen. Bei manchen Sachen haben wir sie überzeugen können, bei anderen nicht. Wir denken aber ehrlich gesagt, dass es etwas albern ist darum zu betteln, wir brauchen etwas besseres als Moratorien.
Wir brauchen so etwas wie eine internationale Konvention für die Evaluierung der Technologien, eine klare transparente Vorgehensweise auf der UN Ebene, auf der wir der zivilen Gesellschaft Technologien beobachten, die zuerst in Labors ausprobiert und weiterentwickelt werden bis hin zur Kommerzialisierung.
Wir sollten an jedem Punkt das Recht haben NEIN zu sagen, wenn wir es als zu gefährlich einschätzen, oder wir sagen, damit kannst Du loslegen, aber das muss doch geprüft oder studiert werden, bevor es auf dem Markt gelassen wird. Das hatten wir bisher nicht, wir hatten nichts auf der UN Ebene, dass es möglich macht Technologien und Nützlichkeit und Gefahren zu beurteilen. Wir brauchen mehr als diese Moratorien, wir benötigen eine richtige Strategie.
Auf welche Weise betreffen diese Technologien den globalen Süden und insbesondere der Menschen in Afrika?
Afrika bekommt immer die schwerste Last aufgebürdet, schauen wir uns die Vorschläge zu Geoengineering an, der schnelle und schmutzige Weg die Temperaturen zu reduzieren, ist ein Ort wie die Ölsandfelder in Kanada, wo ich herkomme zu nennen und der dort vorhandenen Sulfate in die Stratosphäre zu pusten. Das kann man mit Röhren machen, die mit Hilfe von Nanotechnologien hergestellt werden. Das wäre wie einer Art künstlicher Vulkan und es würde bedeuten, dass die Nanoteilchen in den temperierten Klimazonen herumfliegen würden. Damit würde weder in Kanada die Temperatur gesenkt, noch in Deutschland, man könnte die Methan-Emission senken, was auch gut ist.
Wir sind noch nicht sicher, aber Wissenschaftler in Deutschland nehmen an, dass dabei gleichzeitig der asiatische Monsun nach Süden verändert wird. Er würde südlich an Südostasien vorbei ziehen, damit Indien, Bangladesch und Pakistan auslassen, das bedeutet, dass in Südasien Dürren herrschen werden. Der Monsun würde stattdessen nach Afrika reichen und dort Klimachaos anrichten. Es ist noch unvorhersehbar wo und wann der Regen runtergehen wird, wie stark die Winde sein werden.
Wir im Norden würden dabei sehr fein raus sein, alles schön. Die anderen müssten darunter leiden, aber uns geht’s gut. Es ist die Gefahr der wir uns stellen müssen, darum geht auch die Diskussion. Es gibt auch Wissenschaftler in Deutschland, die die Düngung der Meere debattieren. Wir können auf diese Weise das Klima justieren, da ist Prof. Paul Crutzen in Deutschland, der Nobelpreisträger für Chemie, der sagt, dass man Sulfate in die Stratosphäre blasen könnte. Möglicherweise würde es pro Jahr 60.000 oder 70.000 mehr Menschen im Norden das Leben kosten auf Grund von Lungenkrankheiten, aber es sei im Grunde der beste Weg und sei relativ billig. Nach Crutzens Rechnung kostet das Geoengineering rund 50 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist in Hinsicht auf die Kostenkalkulation für den Klimawandel relativ günstig. Es tötet halt Menschen, das ist alles.
Für 2012 ist eine große UN Umweltkonferenz in Brasilien geplant, Rio+20. Was wird dort auf Hinsicht des Geoengineering sogenannte grüne Wirtschaftsstrategien geplant, wie bewerten Sie das und wie kann dem begegnet werden?
Es gibt bereits mehrere Punkte, die für Rio+20 auf den Tisch liegen. Drei Dinge werden dort aber tatsächlich geschehen. Eine Strategie ist ein Konzept zu erarbeiten – eine grüne Ökonomie, dass von der ganzen Welt akzeptiert wird, mit den entsprechenden Technologien die die Probleme zu lösen imstande sind. Es ist eines der Schlachten, die geschlagen werden müssen.
Was meinen Sie also mit grüner Ökologie, welche Technologien meinen wir, sind sie sicher, ist es tatsächlich eine grüne Wirtschaft?
Der nächste Punkt ist dieArt und Weisewie wir auf der UN Ebenedie Umweltfragen behandeln werden. Wie die natürlichen Ressourcen und die Umwelt in Zukunft gemanagt werden soll. Es gibt den Vorschlag eine neue UN Agentur zu gründen, die für diese Fragen nach Rio+20 zuständig sein soll. Das ist ein wichtiger Punkt, wie geht man damit um, wie reguliert man das? Der dritte Punkt, der noch nicht offiziell auf der Tagesordnung ist, ist der Transfer der sogenannten grünen Technologie in den globalen Süden. Dahinter steckt unserer Auffassung nach, die Diskussion darüber, welche Urheberrechtlichen Dinge im Norden gegen Süden gegenüber geltend machen will für einen Transfer dieser Technologie. Technologien, die wir an sich schon für problematisch halten und wird es da Regulierungen geben, der den Süden vor dieser gefährlichen Technologie schützt, darum wird es in Rio gehen.
Mir scheint, daß es ein starker Glaube der Wissenschaftsgemeinschaft an diese Technologien gibt. Gibt es die Möglichkeit, technokratische Lösungen die von oben vorgegeben werden herauszufordern und gibt es Räume für die Partizipation?
Absolut, wir versuchten das hier bereits auf dem Weltsozialforum. Zwei Tage lang hatten wir als eine Art Ableger des Weltsozialforums das Weltforum der Wissenschaften und Demokratie abgehalten. Dort gab es eine intensive Diskussion von Hunderten von uns aus der ganzen Welt, die über die Demokratisierungen der Wissenschaft sprechen. Die Frage ist, wie wir die Öffentlichkeit dahin bekommen, dass sie mitentscheidet welche Technologien gut sind und welche nicht oder doch Anweisungen gibt, wohin sich Forschungen bewegen sollten.
Aus dieser großen Diskussion ging ein Aufruf an das Weltsozialforum, an die Regierung hervor, dies zum Thema zu machen. Wir wollen in dieser Frage bei Rio+20 mit einbezogen werden. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft an den großen Konferenzen beteiligt wird, wir alle sollten da ein Wort mitreden. Rio+20 ist ein außenordentlich wichtiger Moment, es ist auch ein gefährlicher Zeitpunkt, aber wir haben eine gute Chance etwas zu verändern.
Die Regierungen sind nicht gut aufgestellt, auch die Unternehmen wissen noch nicht so recht, wie sie vorgehen sollten. Es ist z.B. eine kontroverse Debatte zwischen Frankreich und Brasilien darüber, wohin man sich bewegen soll und wie weit man gehen will. Und in dieser Situation konnten wir von der zivilen Gesellschaft kommen und sagen wir entscheiden jetzt – das wird gemacht und das nicht. Wir wollen Kontrolle über diesen Prozess. Ich bin selten optimistisch, aber im Moment bin ich tatsächlich zuversichtlich.
Pat Mooney, sie waren vor kurzem in Stuttgart und haben sich dort auch mit den Protesten um Stuttgart 21 auseinandergesetzt, dem großen Bahnprojekt, warum waren Sie dort und was waren Ihre Eindrücke?
Ich war in Stuttgart wegen dem Sozialforum, aber man kann natürlich nicht in Stuttgart sein, ohne über Stuttgart 21 zu sprechen. Ich reise seit den 1970er Jahren nach Stuttgart und ich habe noch nie so eine lebendige Zivilgesellschaft gesehen wie in Stuttgart. Unterschiedlichste Leute verschiedenen Alters und verschiedenen Hintergründen und soziale Erfahrungen scheinen die gleiche starke Ansicht zu vertreten, dass Demokratie siegen muss und das die Zivilgesellschaft diesen lächerlichen Plan an eines neuen Bahnhofs zurückweisen muss, dass war sehr spannend für uns.
Viele von uns waren in Stuttgart, bevor sie zum Sozialforum kamen. Wir sagten, wir wollen alle nach Stuttgart ziehen, dass ist ein großartiger Ort. Ich bin verblüfft von Deutschland, ich spreche zwar kein Deutsch aber ich gehe nirgendwo öfter hin als nach Deutschland. Selbst nicht in die USA und das als Kanadier und ich besuche mehr Orte in Deutschland als irgendwo sonst. Ich kenne kein anderes Land, sicherlich nicht innerhalb der OECD wo ein solcher Schwung innerhalb der Sozialbewegungen der Sozialen Debatte herrscht wie in Deutschland. Es ist weit mehr Bewegung da, als in Frankreich, Grossbritanien oder den Vereinigten Staaten. Und Stuttgart ist im Moment ganz oben in dieser Dynamik, daher ist es für uns so aufregend nach Deutschland zu kommen und diese Debatte zu sehen, es ist wirklich eine Inspiration für uns.